Baum-Entdecker-Forum – Januar 2022

Familie Lüers entdeckte diesen NBB bei Apelern, Niedersachsen. Die Hutebuche misst 7,12 m im Stammumfang, die Krone erreicht stolze 35 m und ist zudem nahezu unbeschädigt.

Riesenmühle, Bückeberge/Deister Niedersachsen - 28.01.2022

Mühlenbuche bei Apelern

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach – klipp, klapp.“
So heißt es in einem alten Volkslied. Wie idyllisch wird es nun erst, wenn nahe einer Mühle auch noch ein ehrwürdiger alter Baum wächst, wie es hier der Fall ist. Familie Lüers aus Apelern macht mit der (von ihr so getauften) „Mühlenbuche“ die erste herausragende Baumentdeckung des neuen Jahres 2022. Und wird auch selbst aktiv, wenn es um die liebevolle Dokumentation des Baumes geht – sehen Sie selbst: https://riesenmuehle.de/buche.
Sogar ein 3-D-Modell wurde von dem Baum bereits angefertigt. Mit der neu entdeckten Mühlenbuche kam wieder einmal die neugierige Frage auf, wie dieses besondere Exemplar wohl im Vergleich zu anderen alten Buchen dasteht. 

Rechts das 3-D-Modell der Buche: mehr als 20 Wulste treten aus dem mächtigen Stammsockel der Mühlenbuche hervor, die geschlossene Stammoptik ist beeindruckend.

Doch diese Frage, so leicht sie auch gestellt wird, entpuppt sich als ziemlich schwierig. Der Grund: die Buche ist in Deutschland die prägende, weit verbreitete Laubbaumart. Ursprüngliche Buchenwälder wie im Nationalpark Kellerwald (Nordhessen) oder Hainich (Westthüringen) sind daher nicht nur Teil des nationalen, sondern sogar des internationalen Naturerbes. Entsprechend vielgestaltig zeigt sich die Waldbuche (Fagus sylvatica) in unserem Land. Mal 1-stämmig und hoch als Forstbaum, dann (viel seltener) 1-stämmig und breitkronig im Freistand. Einmal vergleichsweise jung und vielstämmig als so genanntes Baumgebilde (zu erkennen an Bezeichnungen wie „10-Geschwister-Baum“ oder „5-Brüder-Buche“), welches in der LNBB mit Absicht nicht enthalten ist, ein andermal als mehrkerniger (oder fast schon mehrstämmiger) Hutebaum, der nochmals über einen ganz eigenen Formenreichtum verfügt. Wir bezeichnen die verschiedenen Formen zusammenfassend als „Hutebuchentypus“, wobei ihre Entstehung durch Wild- oder Kuhverbiss (z.B. im Schwarzwald) das verbindende Glied darstellt. Bei besonders offenen Stammformen werden bei Hutebuchen dann sogar 8 m Stammumfang benötigt, um in die LNBB zu gelangen, wohingegen bei sehr geschlossenen Stämmen die üblichen 6,50 m Umfang ausreichen.

Wie ist nun die Mühlenbuche einzuschätzen? – Sie gehört ja eindeutig dem Spektrum des Hutebuchentypus an, vielleicht steht sie auf einer früheren Weidefläche. Wir haben hier den seltenen und besonders attraktiven Fall, dass der Stamm sich trotz zahlreicher Kerne (es sind über 20 außen am Stamm sichtbare Wulste/Kerne) schön geschlossen präsentiert.
Ähnlich schöne Exemplare sind/waren die Hutebuche bei Utzenfeld im Schwarzwald (vor Kurzem zerfallen), die Riesenbuche bei Oberbach (südliche Rhön; 2 starke untere Äste krachten in den letzten Jahrzehnten zu Boden) oder auch die vom Deutschen Baumarchiv neu entdeckte Buche bei Onstmettingen auf der Schwäbischen Alb – siehe unseren Beitrag im Baum-Entdecker-Forum https://www.baum-entdecker.de/baum-entdecker-forum-oktober-2021/. Auch wenn niemand sich darauf festnageln sollte: stellt man die reine Stammmasse in Rechung, so liegt die Mühlenbuche (im Vergleich zu allen anderen im Wesentlichen unbeschädigten Exemplaren) etwa auf Rang 20.

Macht man jedoch den spannenden Versuch, Stammform, Erhaltungsgrad, Charakter und Schönheit einfließen zu lassen, so schiebt sich die Mühlenbuche etwa auf Rang 10. Sie ist ohne Zweifel eine der schönsten Hutebuchen unserer Zeit: Stolze 7,12 m Stammumfang, ein imposanter Stamm- und Wurzelsockel, darüber die noch voll intakte 35 m hohe Krone, das spricht eine eigene Sprache. Möge es lange so bleiben!