Baum-Entdecker-Forum – September 2021

ÜBERBLICKSARTIKEL WALNUSS (JUGLANS REGIA) - 30. September 2021

Naturdenkmalpflege „in a Nutshell“

Als die Pioniere der Baumentdeckung tätig wurden, blieb ein großes Fragezeichen bei der „königlichen“ Walnuss, wissenschaftlich Juglans regia genannt. Selbst Hans Joachim Fröhlich beschreibt nur eine einzige national bedeutsame Walnuss und diese ist nicht einmal besonders dick. Nur aufgrund ihrer Ästhetik gehörte die (inzwischen geworfene) Nuss bei Kirchhellen zu den besonderen Walnüssen dazu. Es heißt, die meisten Walnussbäume in Deutschland seien vor über 100 Jahren gefällt worden, um als Edelholz-Lieferanten zu dienen. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs (1914-18) wurden die Gewehrschäfte aus dem herrlich gemaserten und wertvollen Holz konstruiert. So wurde dieser Krieg nicht nur zum ersten Kriegstrauma der Moderne, sondern auch zum Trauma für den Bestand der Walnuss. Darum stieß das Deutsche Baumarchiv nach der Jahrtausendwende (in den sog. „Nuller Jahren“) in ein fast unbeackertes, zugleich zahlenmäßig überschaubares Forschungsfeld vor. Viele in der Literatur gänzlich unbekannte „Walnuss-Veteranen“ erhielten ihre verdiente Erstbeschreibung in unserem Standardwerk „Deutschlands alte Bäume“ oder später im umfassenden Naturführer „Unsere 500 ältesten Bäume“. Nicht viel mehr als 10 Ausnahmebäume wurden bis heute bekannt. Das dickste jemals in Deutschland vermessene Exemplar mit 5,20 m Stammumfang stand einst auf einer Almwiese bei Wiechs, am Rand der Bayerischen Alpen. Doch schon zur Zeit der Publikation auf der DBA-Homepage war der Baum eine Ruine mit winziger Restkrone. Kurze Zeit später war er tot. 

Bild links: Der Standort der dicksten Walnuss der Republik ist bisher nur dem Deutschen Baumarchiv bekannt. Stammumfang: 5,04 m. NBE: Stefan Kühn. Weiteres Foto: siehe Rubrik „Junge Generation“.

Bild rechts: Walnuss bei Oberreute, Allgäu, 4,80 m Umfang – Nationale Baum-Entdeckerin (NBE) ist die „First Lady“ der Baumkunde, Gaby Paubandt. 

Lange Zeit galt somit die von uns gefundene Walnuss in Waldkirchen, Bayerischer Wald, als dickste Nuss Deutschlands. Auch sie besitzt nicht mehr ihre komplette Krone, hat sich jedoch gut regeneriert und bringt es in schöner 1-stämmiger Wuchsform auf enorme 4,85 m Umfang. Fast ebenso dick ist eine Nuss bei Niedersonthofen (Allgäu), die jedoch nur noch einen vitalen Ast besitzt von ehemals dreien. So kann sie mit anderen Exemplaren nur sehr theoretisch konkurrieren. Eine wertvolle Bereicherung bildet die Walnuss bei Oberreute (ebenfalls Allgäu, nahe der deutsch-österreichischen Grenze). Sie besitzt einen optisch schön geschlossenen 2-kernigen Stamm und bringt es auf 4,80 m Stammumfang in 1 m über Keimpunkt. Entdeckt und beschrieben wurde sie erstmalig von Gabi Paubandt, der „First Lady“ der Baumkunde. Hier ist der seltene Fall wahr geworden: die gesamte hochovale Krone ist erhalten und wölbt sich vital himmelwärts. Ein weiterer beachtlicher Fund steht in Praunheim bei Frankfurt, direkt am Nidda-Altarm. Die dortige Walnuss ist klar 1-stämmig; der Stamm läuft weit hinauf in die Krone, die sich dann mit teils herabhängenden Ästen extrem breit ausdehnt. An einigen Stellen erreicht die aufgelockerte Krone 28 m Durchmesser! Der Stamm selbst bringt es auf 4,55 m Umfang. Sonderbare Gefühle löst die Lektüre des Buches „Die starken Bäume Deutschlands“ aus, herausgegeben im Jahr 2020 von Andreas Roloff (Deutsche Dendrologische Gesellschaft). Darin schreibt dieser über die angeblich dickste Walnuss der Republik, die als Foto auch die Front des Buches ziert: „Da sagte mal jemand, dass in Tossens ein dicker Nussbaum stehen soll. Dabei fiel mir auf, dass es für unser Buch noch keinen Baum in Ostfriesland und bis Bremerhaven gab. Es war dann die Frage wie man herausbekommt, ob es

Die Walnuss hat Charakter. Ihre markante Schale und ihr aromatischer Kern inspirierte Dichter und Denker, angefangen bei Shakespeare (‚‚Hamlet”) bis hin zu Stephen Hawking („The Universe in a Nutshell“)

stimmt und wo genau der Baum steht. Zufällig kam im Fernsehen Monate später ein Film über Butjadingen, den ich angesehen habe, weil ich mehr über diese mir relativ unbekannte Region an der Nordsee zwischen Wesermündung und Jadebusen erfahren wollte. Darin kam auch die Betreiberin des Hexenhofes Minerva aus Tossens zu Wort, und als ich die sah dachte ich: die frag ich. Was ich dann eine Woche später auch per Email tat: ob sie mir helfen könnte einen Nussbaum zu finden. Das interessierte sie sofort sehr, sie ist dann mehrmals mit dem Fahrrad die Straßen und Wege der Gemeinde abgefahren und wurde schließlich fündig. Ihre Fotos vom Baum machten mich ganz aufgeregt, weil er darauf wirklich eindrucksvoll mächtig aussah. Und das ist er auch, nach Datenbank championtrees.de mit Abstand die dickste Walnuss der Republik!“ Es erhebt sich die Frage, ob die Deutsche Dendrologische Gesellschaft in einem anderen Universum lebt. Die besagte Walnuss ist zwar in der Tat eine Zierde der deutschen Westküste. Doch – wenn auch schön gewachsen mit 2-kernigem Stamm und vitaler Krone – sie ist beileibe nicht die Stärkste der Republik, schon gar nicht „mit Abstand“. Die Walnuss in Tossens ist dem Deutschen Baumarchiv etwa seit dem Jahr 2010 bekannt und wurde in unserem Baumführer „Unsere 500 ältesten Bäume“ dann auch bereits im Jahr 2012 beschrieben (Seite 282). Der Baum ist also längst publiziert und steht seit fast einem Jahrzehnt als Neuentdeckung oder gar Superlativ nicht mehr zur Verfügung! In der Liste national bedeutsamer Bäume (LNBB) rangiert er mit 4,44 m Umfang nur auf Position 6.

Das Deutsche Baumarchiv, getragen von seinen christlichen Wurzeln, hat zu diesem Thema eine gute Nachricht: die dickste und zugleich eindrucksvollste Walnuss Deutschlands ist noch stärker als alle bislang dokumentierten Exemplare. Sie steht an einem geheimen Ort Mecklenburg-Vorpommerns, ist 1-stämmig 

gewachsen und besitzt einen ungemein wuchtigen unteren Ast, der schon auf etwa 80-120 cm Höhe ansetzt. Ihre Krone hat einen Durchmesser von rd. 23 m und sie besitzt einen Rekordumfang von 5,04 m (gemessen in 1 m über Boden bzw. über dem Keimpunkt). Als christliche Pfadfinder möchten wir zu bedenken geben: Zu solch wunderbaren Bäumen führt nur ein sehr schmaler Weg (Matthäus Evangelium 7,14).

Stadt Augsburg, Bayern

24. September 2021

Jungfernrebe in der Fuggerei

Viele alte Bäume stehen vor historischen Kulissen wie etwa Burgen, Schlössern, Kirchen oder Kapellen. In diesem Fall ist eine uralte Weinranke sogar Teil eines historischen Bauwerks. Am Fuß der Fuggerhäuser wächst ein Wilder Wein, auch Jungfernrebe genannt (Parthenocissus tricuspidata) aus dem Boden und sendet kraftvolle Schlingarme entlang des Hauses und der Mauer. Die Fuggerei wurde 1521 durch Jakob Fugger eingeweiht und dient bis dato als „älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt“. Sie bietet 150 bedürftigen Augsburger Bürgern ein Dach über dem Kopf: Haus, Wohnung und sogar eine eigene Kirche. So alt wie die Bauten selbst kann der Wilde Wein natürlich nicht sein. Die Art stammt aus Fernost und..

Alte Jungfernrebe in der Fuggerei mit gut 80 cm Stammumfang - Nationaler Baum-Entdecker (NBE): Stefan Kühn.

..gelangte in den 1860ern nach Europa. Von max. 70 Jahren Alter ist auszugehen. Denn nachdem die Kirche 1944 bei einem Bombenangriff zerstört wurde, kam es 1950 zum Wiederaufbau. Fotos der Herrengasse bei dieser Feierlichkeit zeigen noch keine Fassadenbegrünung.  So wie beim Wilden Wein üblich haften die Triebe der ungemein großen Pflanze mit vielen winzigen Saugnäpfen an der Hauswand und halten eine weit ausgedehnte, sozusagen baulich gestützte, Krone aufrecht. Schade, dass es den Eigentümern nach einer Seite hin offenbar zu viel des Guten wurde. Früher reichten die Verzweigungen noch weiter nach rechts in eine weitere Hausfassade hinein.

Etwa 70 Jahre dürfte diese Jungfernrebe alt sein. Die typische Rotfärbung des Weinlaubes kommt im Herbst deutlich zur Geltung.